Lisa Eckart im Spiegelkabarett

Im Spiegelkabarett der Eitelkeiten hört Dich niemand schreien. Lisa Eckart, ein zeitgenössischer Yorick – nur der Hamlet fehlt, der dessen Tod beweint und klassisch existentielle Fragen der Menschheit wälzt. Lustig oder nicht, das ist hier nicht die Frage. Wer sich hier aufregt, entlarvt sich schon schnell selbst: in der Prioritätensetzung und im Energiehaushalt – und zeigt ein fragwürdiges Verständnis von Realpolitik und Kleinkunst.

Es wird ihr der fehlende Erkenntnisgewinn unterstellt (siehe Lisa Eckhart: Feuchter Altherrentraum von Kathrin Widholm). Seit wann ist Kabarett Erkenntnisgewinn und nicht Unterhaltung, könnte man fragen? Wie brüskiert Frau sein kann, wenn eine andere Frau elegant Zoten und Untergriffe bühnengerecht verpackt, aber bei einem Mann, der gegen Flüchtlinge polarisiert, keine ellenlangen Erwiderungen verfasst. Eckhart scheint zu fordern, den Intellekt weniger, als die Offenheit für eine Kunstform, während die Sprache der Politik und die Schlagzeilen verrohen. Es geht hier nicht um Erkenntnis, es geht um Geschmack und Haltung, sowie um den Kategoriefehler der Verwechslung des Gesagten mit dem Gemeinten. Dazu wird einer Kabarettistin/Poetin angedichtet, sie sei ja so, ident mit dem Gesagten. Damit hätte jemand Empörter weder den Sinn von Kabarett, noch Dichtung noch Wahrheit verstanden. Frau muss sie nicht mögen…aber die Unterhaltung (an)erkennen.

Genau diese Herabwürdigungen herrschen doch gerade tagtäglich in der Journaille, dem Tabloid und den politischen Reden: Minderheiten, Geflüchtete, Arbeitslose, Kranke, Schwache werden doch im neoliberalen Populismus täglich herabgewürdigt. Und das ist überhaupt nicht satirisch gemeint, sondern das geschieht wirklich, in Reden, Gesetzen und Zeitungsartikeln. Warum soll eine Kabarettistin dieses System nicht als Spiegel imitieren dürfen, den Stammtisch, den Alltagsrassismus, die Verschiebung von dem „was gesagt werden darf“? Da beginnt der Umgang mit Repression, mit Sprachbewusstsein, mit Menschwerdung… (siehe Causa Eckart von Olga Flor “Abgeschmackter Tabubruch” in https://www.derstandard.at/story/2000119300022/causa-eckhart-abgeschmackter-tabubruch#posting-1057587778)

Ihr wird “ein altes Lied” unterstellt, “wer nichts zu sagen hat, aber Leute zum Zuhören braucht, erklärt sich selbst zur Gegner_in der Political Correctness. Manchen reicht das nicht.” von Hengameh Yaghoobifarah, Autor_in, Redakteur_in und Referent_in zu Queerness, Feminismus, Antirassismus, Popkultur und Medienästhetik in der TAZ Kolumne (siehe https://taz.de/Lisa-Eckhart-und-der-Antisemitismus/!5679755/). Ein ganz neues Lied ist das Leid, den Dorfstammtisch davonkommen zu lassen, die Verrohung der politischen Sprache in Europa und Angloamerikanien unerwähnt zu lassen und auf Kabarettist_innen einzuschlagen, die sich (oh, Hohn!) erdreisten, all das wieder elegant zurückzuspucken. Als ob die Wahl von rechts-rechtszentristischen Clowns wie Berlusconi, Trump, Orban und Johnson nicht realpolitisch wäre, wird einer Kleinkunstdame aus Wien unterstellt, die eine solche Figur des bösen Ennui geschaffen hat, dass sie wirklich so sei, und nun all diese Ressentiments zu verantworten hat – ja sie mitzuerschaffen. Wenn Eckart nochalant auch sämtliche (wohlbekannten) Unterregister ziehen kann, ohne sich selbst zu besudeln, dann steht dies kulturell weit über so mancher europäischen Regierung, die nicht mal mit dem Nachbarn solidarisch sein will und Masken stiehlt, um am Ende immer alles auf die Immigranten zu schieben. 

Die aus- und eingeladene Lisa Eckart kann sich sehr wohl auch über sich sich selbst und ihre Rolle beissend lustig machen, das wird oft vergessen – sehen Sie sich mal ein volles Programm an, nicht nur 4min Mitternachtsspitzen. Die Ausweitung der Kampfzone der Sprache ist nicht ihr Verdienst, es ist der pöbelige Stammtisch, es sind die Umfragepolitiker von der Stange seit Thatcher/Reagan und diejenigen, die sie unterstützen und wählen. Diejenigen die lieber Kleinkunst aufknüpfen, denn Ibizaskandale, Corona- und Klimaversäumnisse denunziieren. Es ist der vergiftende Verdienst der Populisten, die immer weiter verschieben, was gesagt werden “darf”, nur um immer wieder andere zu unterbrechen. Kleinkunst und Satire darf alles, wie die Narren von korrupten Fürsten sind sie die einzigen, die aussprechen dürfen, was alle heimlich sagen, ohne dafür von den Schergen der zwanghaft schuldhaften aber überkorrekt sauberen Autorität, die sich heimlich doch ertappt fühlt, gemeuchelt zu werden. Das Volk ist unterhalten und oft beschämt, weil es sich selber hört und sieht. Das ist alles.

Wer das nicht mag, muss ja nicht hingehen und ein Ticket bezahlen. Hören wir endlich auf die echten Clowns zu zensieren, während wir die falschen wählen!

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